Gesundbrunnen Hofgeismar Geologie und Medizin
Am Gesundbrunnen Hofgeismar findet man heute zwei Quellaustritte, die sog. Badequelle und die Trinkquelle. Beide Quellen sind natürlichen Ursprungs, im 19. Jahrhundert niedergebrachte Bohrungen sollten nur die Wassermenge erhöhen, hatten aber wohl keinen erkennbaren Einfluss auf die Quellen. Weitere Mineralquellen sind in der Umgebung bekannt. Die im Wasser gelösten Mineralsalze stammen im Wesentlichen aus den Salzen des Zechsteins, die hier in etwa 1000 Meter Tiefe liegen.
Die frühesten Berichte über die Heilkräfte der Quellen berichten von ihrer vielfältigen Wirksamkeit. Später wurde man realistischer und hob insbesondere ihre schleimlösende Wirkung hervor.
Für einen modernen Badebetrieb war die Zusammensetzung der Quellwässer und vor Allem auch ihre Ergiebigkeit nicht ausreichend.
Unproblematisch ist der Genuss des Wassers nicht. Neben einem sehr hohen Natriumchloridgehalt, der bei erhöhtem Blutdruck gemieden werden sollte, haben jüngste Analysen im Wasser Spurenelemente nachgewiesen, die in diesen Konzentrationen bei einem Mineralwasser durchaus die Regel sind. Über einen längeren Zeitraum eingenommen können sie aber ungesund sein.
1700 - 1772 Anfänge eines Fürstenbades
Landgraf Karl von Hessen-Kassel beauftragte im Jahre 1700 den hugenottischen Arzt Elie Pierre de Beaumont mit der Untersuchung der Hofgeismarer Heilquellen. Das Ergebnis dieser Bemühungen war so günstig, dass der Landesherr sich dazu entschloss, den Gesundbrunnen bei Hofgeismar zu einem Badeort auszubauen.
Das Modell des Gesundbrunnen Hofgeismar zeigt den Zustand der Badeanlagen in der Zeit um 1780. Die Ausgestaltung der barocken Badeanlage war zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen. Drei große Badegebäude, das Karlsbad, das Wilhelmsbad und das Friedrichsbad boten ausreichend Platz für Kurgäste und Hofgesellschaft. Der zentrale Brunnentempel konnte bei jedem Wetter bequem über die beiden Verbinderbauten von den neuen Badehäusern erreicht werden.
Im Karlsbad befand sich eine Pumpenanlage, mit deren Hilfe Mineralwasser aus den Quellen in steinerne Badewannen gepumpt werden konnte. Ebenso waren drei Mineralwasserduschen eingerichtet.
Im Wilhelmsbad gab es neben den Gästezimmern einen großen Kursaal, zahlreiche Boutiquen sowie den unverzichtbaren Spielsaal, wo insbesondere das damals sehr beliebte »Pharao« - ein Kartenspiel - gespielt wurde. Im Friedrichsbad war Platz für die Gesellschaft des Hofes.
Das Modell wurde rekonstruiert nach den Kupferstichen, die W. C. Mayr nach Vorlagen von J. H. Tischbein 1772 angefertigt hat. Zusätzlich wurden jüngere Bauaufnahmen und zahlreiche Beschreibungen der Anlagen hinzugezogen.
Ancien Régime und Königreich Westphalen
In den letzten Jahren des 18. Jahrhunderts erfuhr der Gesundbrunnen noch einige einschneidende Umgestaltungen, die sein Bild bis heute entscheidend prägen.
Zuerst wurde der alte Brunnentempel, der sich in einem schlechten baulichen Zustand befand, abgebrochen. Der hugenottische Architekt Simon Louis Du Ry errichtete an seiner Stelle den heutigen offenen Bau mit den acht ionischen Säulen.
Der Brunnenpark wurde auf seine heutige Größe erweitert und von einem Garten im französischen Stil in einen englischen Landschaftsgarten, als der er sich immer noch präsentiert, umgewandelt.
Krönender Abschluss der Arbeiten war die Errichtung des Schlösschens Schönburg, zuerst »Montcheri« genannt, nach den Plänen von Du Ry. Dieses 1790 fertiggestellte Lustschloss ist ein Meisterwerk frühklassizistischer Architektur.
1813-1870/1871: Kurfürstentum und preußische Provinz
Nach der Wiedererrichtung des Kurfürstentums Hessen gab es nur noch wenige Veränderungen an den alten Anlagen. Zu nennen ist hier vor allem der Ausbau des Schlösschens Schönburg durch den Architekten Johann Conrad Bromeis in den Jahren 1822 bis 1825.
Versuche, das rege Badeleben des 18. Jahrhunderts weiterzuführen, scheiterten letztlich. Die Mineralquellen konnten die gesteigerten medizinischen Ansprüche nicht erfüllen. Der Badeort selbst war im Vergleich mit anderen nicht mehr attraktiv genug. Daran konnte auch die Eröffnung der Eisenbahnlinie von Kassel zum Gesundbrunnen nach Hofgeismar im Jahre 1848 nichts mehr ändern.
Nachdem das Kurfürstentum Hessen 1866 vom Königreich Preußen annektiert worden war, beschloss die preußische Verwaltung sehr bald, den kostspieligen Kurbetrieb, der schon lange keinen Gewinn einbrachte, aufzugeben. Die Anlagen wurden der Domänenverwaltung unterstellt. Versuche, sie anderweitig zu nutzen - z.B. als Privatschule -, waren nicht besonders erfolgreich.
1889 - Gegenwart
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts fand man eine zukunftsweisende Nutzung für die Anlagen des Gesundbrunnens. Zuerst wurde 1889 im Wilhelmsbad die landwirtschaftliche Winterschule eingerichtet, die sich später als Landwirtschaftsschule an einem anderen Standort in Hofgeismar befand. Es folgten im Laufe der Jahrzehnte verschiedene kirchliche Einrichtungen:
- 1890/1891 das Evangelische Predigerseminar
- 1893 das Hessische Siechenhaus, Vorläufer der Evangelischen Altenhilfe e.V.
- 1952 die Evangelische Akademie
Mit diesen Einrichtungen gelangte neues Leben an den Gesundbrunnen. Behutsam durchgeführte Erweiterungen, so zum Beispiel der Bau der Brunnenkirche 1897, schufen für die neuen Nutzer eine optimale Arbeitsumgebung, ohne das einmalige Architekturensemble in seiner Wirkung zu beeinträchtigen.
Soweit bekannt, ist der Gesundbrunnen Hofgeismar die einzige spätbarocke/frühklassizistische Badeanlage in Deutschland, die in der hier anzutreffenden Vollständigkeit erhalten ist.
(Micha Röhring)