Wiederentdeckung eines fast Veressenen

Wiederentdeckung eines fast Vergessenen

Sonderausstellung im Stadtmuseum Hofgeismar

Das Stadtmuseum Hofgeismar bietet vom 19.4. - 6.7.2008 die Möglichkeit, einen bedeutenden Maler aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts wieder zu entdecken - den 1877 in Kassel geborenen Paul Scheffer.

Der Name Scheffer sagt Ihnen nichts? Waren Sie noch nie im Gesellschaftssaal der Stadthalle? Die Wandbemalung dort hat er (zusammen mit Arno Weber) entworfen. Haben Sie je ein Foto des im Zweiten Weltkrieg zerstörten Sitzungssaals des Kasseler Rathauses gesehen? Nun, den langen Figuren-Fries an allen vier Wänden schuf ebenfalls Paul Scheffer, der den 1. Preis samt Gestaltungsauftrag gegen bedeutende Konkurrenz gewann.

Sie sagen, Sie interessieren sich für Geschichte? Dann müsste Ihnen der Name Scheffer, meist in Verbindung mit dem familientypischen Vornamen Reinhard, als derjenige mehrerer Kanzler der Landgrafschaft Hessen bekannt sein. Sie lenkten unter Philipp dem Großmütigen, Wilhelm IV., Moritz dem Gelehrten und Amalia Elisabeth die Geschicke des Landes. Besonders jener Reinhard Scheffer, der den Kasseler Fürstenhof bei den Friedensverhandlungen in Osnabrück 1648 vertrat, bewahrte seine Landesherrin nicht nur vor Landabtretungen, er gewann ihr sogar mit Hersfeld und einem Teil der Grafschaft Schaumburg neue Gebiete hinzu.

Diese Landespolitiker, viele Juristen, Offiziere und Ärzte sind die direkten Vorfahren unseres Malers, der aber früh seiner künstlerischen Neigung folgen durfte und keinen „Pflichtberuf“ ergreifen musste. Mit 15 Jahren ging er in deren Umbruchzeit für vier Jahre zur Kasseler Kunstakademie, dann ein Jahr nach Düsseldorf, woher alle seine Lehrer gekommen waren. Endgültig geprägt wurde Scheffer in Karlsruhe bei den Professoren Robert Poetzelberger und Victor Weishaupt, beide ehemals der „Münchener Sezession“ zugehörig und offen für französischen Impressionismus und Freilichtmalerei. (Ein herrliches Weishaupt-Gemälde, dessen Pendant in der Münchener Pinakothek hängt, können Sie in unserer Ausstellung sehen.)

Scheffer wird unter Weishaupts Einfluss zum Landschafts- und Tiermaler, der sich „die Weite der hessischen Landschaft und ihre wechselnden Stimmungen“ (so Annemarie Scheffer, die Tochter) zum Gegenstand seiner Werke erwählt. Das Fuldatal um Rotenburg (Scheffers reizende Aquarelle, als Steindruck-Mappe vermarktet, sind als Originale bei uns zu sehen.), die Rhön und vor allem der Kasseler Raum sind seine Bezugslandschaften. Von einer dreimonatigen Italienreise dagegen bringt er keine einzige Zeichnung mit.

Zusammen mit Malerfreunden aus der neu gegründeten Gruppe der „Hessen“ (z.B. F. Fennel, H. Meyer-Cassel) schließt er sich den Schwälmer Malern um Carl Bantzer in Willingshausen an und gewinnt ein vielfältiges neues Thema hinzu. In der Ausstellung sind neben eher „typischen“ Schwälmer Motiven und Porträts vor allem arbeitende Menschen, zum Teil mit ihren Tieren erfasst. Scheffer erntete hohes Lob von Carl Bantzer, mit dem ihn eine später weitergeführte Korrespondenz verband.

In Karlsruhe hatte Scheffer seine Berufskollegin Sofie Anna Faber aus Wiesbaden kennen gelernt, deren Vater als Großkaufmann in London residierte. Er heiratete sie 1904; der Briefwechsel bezeugt eine tiefe Liebe und gegenseitige Achtung. Mehrfach besuchte das Ehepaar Scheffer in den nächsten Jahren mit den beiden Kindern England. Scheffer war verzaubert von der Landschaft und dem wechselnden Wetter, das ihm viele Motive lieferte. An der Küste von Devon entstanden klare, helle Bilder, die deutlich an die zeitgenössische Malerei der Künstlerkolonie in Skagen (Dänemark) erinnern, dazu treten eindrucksstarke Bilder vom Dunst und Nebel über der Themse.

Auffällig oft vertreten in der Hofgeismarer Ausstellung sind Bilder von Bäumen, die Scheffer bei jeder sich bietenden Gelegenheit und zu jeder Jahreszeit vor Ort porträtierte, weil er ihnen das Schicksal aller Lebewesen - Wachsen und Vergehen - abspürte.

Im Ersten Weltkrieg war Scheffer zunächst als Sanitäter in Belgien tätig, dann als Soldat ausgebildet und an der Westfront vor Verdun eingesetzt. 1916 trafen ihn dort fünf Splitter eines Schrapnells, woraufhin er nach Berlin ins Lazarett verlegt wurde. Die Operation am 4. April 1916 selbst war erfolgreich, aber der abgemagerte und geschwächte Scheffer wachte aus der Chloroformnarkose nicht mehr auf; er wurde auf dem Wehlheider Friedhof in Kassel begraben.

Jetzt wissen Sie also, wer Paul Scheffer war? Wenn Sie auch seine über 80 Werke sehen möchten - das Stadtmuseum Hofgeismar wartet auf Sie an folgenden Tagen: Mo, Di, Do 10 - 12 Uhr, Mi 15 - 18 Uhr, Fr 17 - 19 Uhr, So 11 - 13 Uhr und 15 - 18 Uhr; Gruppen auch außerhalb dieser Öffnungszeiten. Der Eintritt ist frei, Spenden werden erbeten. Zur Ausstellung erscheint ein Begleitheft mit 40 Abbildungen nach Werken Paul Scheffers.

Veronika Jäger/Helmut Burmeister


Paul Scheffer: Hute am Habichtswald hinter dem Herkules. Öl/Lw. (Leihgabe Stadtmuseum Kassel)



Auf großes Besucherinteresse stieß die Eröffnungsveranstaltung zur Scheffer-Ausstellung. Im Bild das Foyer als Vorraum der eigentlichen Ausstellungsräume. (Foto: U. Esser)



Pressefoto der HNA; Thomas Thiele



Schwälmer Bauer, Bleistift



Unverheiratete Schwälmerin in Festtagstracht, Tusche aquarelliert.



Nebel über der Themse (1911), Öl/Lw.